MoMIt
Mentale Modelle des Italienischen L2 in der Primarschule

Das MoMIt-Projekt erforscht Emotionen, Motivation und Einstellungen zum Italienischen als schulische Fremdsprache in Graubünden.

Einstellungen, Emotionen und Motivation gehören zum Leben jedes Menschen. Das Projekt MoMIt untersucht diese Dispositionen, Zustände und Prozesse im Bereich des Lernens, Lehrens und der Unterstützung beim Lernen des Italienischen als Fremdsprache in der Primarschule. Diese Aspekte werden unter dem Begriff „mentale Modelle“ zusammengefasst und damit der mentalen Dimension, die sie kennzeichnet, ein zentraler Stellenwert verliehen.

Welche Einstellungen habe ich gegenüber dem Lernen der italienischen Sprache? Welche Motivationen treiben mich an, Italienisch zu unterrichten? Welche Emotionen empfinde ich, wenn ich meiner Tochter oder meinem Sohn bei den Italienisch-Hausaufgaben helfe?

Dies sind einige der Fragen, mit denen wir uns im Projekt auseinandersetzen werden. Der Fokus liegt auf den Primarschulen im deutschsprachigen Teil des Kantons Graubünden. Die Fragen führen letztlich zu einem Verständnis dafür, wie die mentalen Modelle der Kinder sowie der verschiedenen am Bildungsprozess beteiligten Personen – in diesem Fall Lehrpersonen und Eltern – den Erwerb der vorgesehenen italienischen Sprachkompetenzen am Ende der Primarschule beeinflussen können.

Kontext

Das Projekt MoMIt findet im deutschsprachigen Teil des Kantons Graubünden statt, dem einzigen Kanton der Schweiz mit drei Amtssprachen: Deutsch, Romanisch und Italienisch. Italienisch wird offiziell im Gebiet des italienischsprachigen Graubündens gesprochen, ist aber auch als extraterritoriale Sprache erheblich präsent (fast die Hälfte der italienischsprachigen Sprecherinnen und Sprecher lebt nicht im italienischsprachigen Graubünden, sondern in den offiziell deutschsprachigen – vorwiegend – oder romanischsprachigen Gebieten des Kantons). Auf rechtlicher Ebene, sowohl kantonal in Graubünden als auch auf Ebene der Schweizerischen Eidgenossenschaft, hat Italienisch – wie Romanisch – den Status einer Minderheitensprache. Faktisch sagen, dass Italienisch in Graubünden einen doppelten Minderheitenstatus hat, da es im Vergleich lässt sich zur romanischen Sprache etwas weniger gesprochen wird.

Das Lernen von (mindestens) einer Fremdsprache in der Primarschule ist in der Schweiz eine gut gefestigte Realität. Je nach Kanton kann die (erste) Fremdsprache Französisch, Deutsch, Italienisch, Romanisch oder Englisch sein. Das Projekt MoMIt konzentriert sich insbesondere auf die italienische Sprache als erste erlernte Fremdsprache, von der dritten bis zur sechsten Klasse, in den Primarschulen des deutschsprachigen Kantonsgebiets. Das Projekt richtet sich an die Schülerinnen und Schüler der sechsten Klassen, wo das in Italienisch geforderte Niveau A1.2 des GER (der Referenz-Lehrplan für den Kanton Graubünden ist der Lehrplan 21, der seinerseits beim GER für sprachliche Kompetenzen anknüpft) vorausgesetzt wird.

Kurzer Überblick über die Bildungspolitik im Bereich Sprache und über strittige Aspekte:

  • Die Einführung des Italienischunterrichts als Fremdsprache im Kanton Graubünden geht auf das Schuljahr 1999/2000 zurück. Später, 2013, wurde der Italienischunterricht durch Englisch (ab der fünften Klasse) ergänzt. Dieses Schulmodell für den Sprachunterricht wurde durch die Schulreform der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren von 2004 festgelegt, mit Blick auf 1) Vorverlagerung des Sprachunterrichts, 2) Harmonisierung zwischen den Kantonen und 3) Aufwertung sowohl der Landessprachen als auch des Englischen.
  • Die Rolle des frühen Fremdsprachenunterrichts in der Schweiz – damit auch des Italienischen im deutschsprachigen Teil des Kantons Graubünden – ist breit diskutiert. Es gab und gibt Initiativen, die darauf abzielen, die geltende schulische Ordnung zu verändern, um den Übergang zum Unterricht einer einzigen Fremdsprache zu begünstigen (siehe etwa die 2018 abgelehnte Initiative gegen das Lernen von zwei Fremdsprachen in der Primarschule in Graubünden und die 2025 angenommene Initiative gegen das Lernen von Französisch im Kanton Zürich).

Forschungsziele

Viele Forschungen, die sich sowohl auf internationale Kontexte als auch auf schweizerische Realitäten konzentriert haben, haben die Rolle von Aspekten wie Motivation, Emotionen oder Einstellungen im Zusammenhang mit dem Studium oder der Vermittlung einer Fremdsprache aufgezeigt. Für den schweizerischen Kontext, und spezifisch für den Bereich Graubünden, sind keine aktuellen und systematischen Daten verfügbar, die es ermöglichen, zu verstehen, welche Stellung Italienisch im Bildungsweg von Schülerinnen und Schülern der Primarschule sowie im Alltag der Personen einnimmt, die den Bildungsprozess begleiten – in diesem Fall Lehrpersonen und Eltern. Das Projekt wird daher die folgenden Fragen beantworten:

1)    Welche mentalen Modelle zum Italienischen treten im deutschsprachigen Graubünden zutage, das heißt: Welche Emotionen, Einstellungen und Motivationen (beim Lernen/beim Lehren/beim Unterstützen des Studiums) kennzeichnen das Verhältnis von Lernenden, Lehrpersonen und Eltern zu dieser Sprache?

Konkret wollen wir mit dieser Frage herausfinden, wie die drei Gruppen ihr Verhältnis zur italienischen Sprache im deutschsprachigen Graubünden erleben. Zudem lässt sich beobachten, ob die Tendenz besteht, dass sich die mentalen Modelle der einzelnen Gruppen angleichen oder unterscheiden, und in welchen Aspekten (z. B. Schülerinnen/Schüler im Durchschnitt sehr motiviert, Italienisch zu lernen, vs. Eltern wenig motiviert, ihre Töchter oder Söhne beim Studium des Italienischen zu unterstützen; sehr positive Emotionen der Lehrperson vs. sehr negative Emotionen der Lernenden).

2)    Welche Beziehung besteht zwischen den mentalen Modellen zum Italienischen von Lehrpersonen und Eltern und den mentalen Modellen der Kinder?

Konkret wollen wir mit dieser Frage herausfinden, ob das mentale Modell des Italienischen einer/eines Lehrperson eher ähnlich oder sehr verschieden ist im Vergleich zu den mentalen Modellen ihrer Schülerinnen und Schüler. Ebenso werden wir uns fragen, in welchem Maß die mentalen Modelle der Eltern mit denen der Töchter oder Söhne übereinstimmen.

3)    Welche Beziehung besteht zwischen den mentalen Modellen zum Italienischen von Lehrpersonen, Eltern und Lernenden und den Italienischkompetenzen der Letzteren?

Konkret wollen wir mit dieser Frage zum Beispiel herausfinden, ob die mehr oder weniger positiven Einstellungen der Eltern oder der Lehrperson gegenüber der italienischen Sprache einen Einfluss auf die Italienischkompetenzen der Lernenden haben oder nicht.

Methodologie

Das Projekt dreht sich um drei Zielgruppen:

  • Schülerinnen und Schüler: Lernende, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung die sechste Klasse der Primarschule im deutschsprachigen Teil des Kantons Graubünden besuchen. Es ist die Teilnahme von ca. 600 Personen vorgesehen.
  • Lehrpersonen: allgemeine Primarlehrpersonen, die die italienische Sprache unterrichten. Es ist die Teilnahme von ca. 50 Personen vorgesehen.
  • Eltern: die Eltern der Schülerinnen und Schüler, die an der Studie teilnehmen werden. Es ist die Teilnahme von ca. 1200 Personen vorgesehen.
    Die an der Datenerhebung beteiligten Schulen werden in unterschiedlichen territorialen Kontexten gelegen sein (Berggebiet, städtisches Gebiet, Gebiet an der Sprachgrenze), um Heterogenität und statistische Repräsentativität der Stichprobe zu gewährleisten.

Die Datenerhebung des Projekts gliedert sich in zwei Phasen: eine vorläufige, qualitative Phase und eine groß angelegte Datenerhebung.


Vorläufige qualitative Untersuchung

In der vorläufigen Phase organisieren wir Gruppendiskussionen (Focus Groups) mit den drei Zielgruppen. Im Verlauf dieser Treffen besteht das Ziel darin, so viele Informationen wie möglich über Emotionen, Einstellungen und Motivationen zu sammeln, die leiten:

  • die Schülerin/den Schüler beim Studium des Italienischen;
  • die Lehrperson in der didaktischen Praxis der italienischen Sprache;
  • die Eltern bei der Unterstützung des Studiums der italienischen Sprache zu Hause.


Die Durchführung der Gruppendiskussionen mit Vertreterinnen und Vertretern der drei Zielgruppen ist von grundlegender Bedeutung, um vertiefte Daten darüber zu sammeln, wie die italienische Sprache im spezifischen Forschungskontext (die Primarschule im deutschsprachigen Teil des Kantons Graubünden) erlebt wird. Die erhobenen Informationen ermöglichen es, die in der offiziellen Projektphase zu verabreichende Fragenbatterie sowohl an die Gruppen als auch an den Kontext bestmöglich anzupassen.

Quantitative Untersuchung

In der offiziellen Phase der Datenerhebung werden allen drei Zielgruppen Fragebögen zu Emotionen, Einstellungen und Motivationen in Bezug auf die italienische Sprache verabreicht. Darüber hinaus wird im Rahmen verschiedener Treffen in den Schulen des deutschsprachigen Graubündens von den einzelnen Schülerinnen und Schülern einerseits verlangt, Texte mit Lücken (unvollständige Wörter) auszufüllen, und andererseits, eine Bildergeschichte mündlich zu beschreiben. Die gewonnenen Daten ermöglichen es, zu verstehen, wie die Schülerinnen und Schüler am Ende der Primarschule auf Italienisch sprechen/schreiben.

Ergebnisse

Die Daten werden mittels statistischer Analysen ausgewertet und ermöglichen es zu verstehen, welche mentalen Modelle zum Italienischen unter den Gruppen der Lernenden, Lehrpersonen und Eltern im deutschsprachigen Graubünden verbreitet sind. Zudem ermöglichen sie, zu verstehen, in welcher Beziehung die mentalen Modelle von Eltern und Lehrpersonen und jene der Lernenden stehen (viele Ähnlichkeiten oder viele Unterschiede?). Schließlich erlauben sie festzustellen, ob sich das Niveau des Verstehens/der Produktion in der italienischen Sprache am Ende der Primarschule verändert, und zwar je nach:

  • dem Motivationsniveau der Schülerin/des Schülers gegenüber dem Studium des Italienischen sowie ihren/seinen Emotionen und Einstellungen gegenüber dieser Sprache;
  • dem Motivationsniveau der Lehrperson gegenüber dem Unterricht des Italienischen sowie ihren/seinen Emotionen und Einstellungen gegenüber dieser Sprache;
  • dem Motivationsniveau der Eltern gegenüber der Unterstützung des Studiums des Italienischen sowie ihren Emotionen und Einstellungen gegenüber dieser Sprache.

Erwartete Wirkung

Aus wissenschaftlicher Sicht zielen die im Rahmen des Projekts gewonnenen Evidenzen darauf ab, das Verständnis hinsichtlich der mentalen Modelle des Italienischen der drei Zielgruppen im spezifischen Gebiet des Kantons Graubünden zu festigen und der Rolle, die diese bei der Beeinflussung des Erwerbs sprachlicher Kompetenzen durch junge Lernende am Ende der Primarschule spielen können. Darüber hinaus ermöglicht die Integration der gewonnenen Kenntnisse in die Ausbildungs- und Weiterbildungswege der Lehrpersonen für Italienisch (im Dienst oder zukünftige) diesen Personen, ihre Sensibilität im Umgang mit dem Thema zu erhöhen – nicht nur als Lehrende dieses Fachs (unter anderen), sondern als aktive Beobachterinnen und Beobachter der Bildungsprozesse im weiteren Sinn und der Transformationen, die die Schule durchziehen. In diesem Kontext nehmen die Lehrpersonen daher eine Schlüsselrolle als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Forschungsergebnisse innerhalb des gesamten schulischen Ökosystems ein.

Aus der Forschung ist bekannt, dass es nicht egal ist, wie Eltern, Lernende und Lehrpersonen über ein Fach denken. Wird die Sprache als wichtig oder eher als nutzlos erachtet? Wird sie als melodisch oder vielleicht als holprig wahrgenommen? Dies wiederum kann die Motivation der Kinder und letztendlich auch deren Lernfortschritt in der Fremdsprache beeinflussen.

Prof. Dr. Vincenzo Todisco

Organisation

Forschungsgruppe

Projektverantwortliche

 

Doktorandinnen

 

Post-Doc

 

Projektpartnerinnen/Projektpartner

  • Raphael Berthele (Université de Fribourg)
  • Oana Costache (Radboud University)

 

Expertinnen/Experten

 

Statistische Beratung

Ein Kooperationsprojekt

Das SNF-Projekt MoMIt wird von der Pädagogischen Hochschule Graubünden und der Universität Bern geleitet. Als Projektpartner sind Forschende der Universitäten Fribourg (Prof. Dr. Raphael Berthele) und Radboud in den Niederlanden (Dr. Oana Costache) beteiligt.

Das Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert.

Das Projekt in den Medien

Präsenz an wissenschaftlichen und divulgativen Veranstaltungen

Das Projekt wurde/wird im Rahmen der folgenden Veranstaltungen präsentiert (laufend zu aktualisieren, mit Link zur Veranstaltungs-Website und Titel des gehaltenen Vortrags).

Wissenschaftliche und divulgative Publikationen

Jedes Mal aktualisieren, wenn wir etwas Neues veröffentlichen (Artikel, Interviews, Podcasts usw.).

Das Projekt in den Medien

Laufend aktualisieren, mit Links zu allen Inhalten, die über das Projekt berichten, bei denen niemand von uns Autorin/Autor oder Mitautorin/Mitautor des Beitrags ist.

Professur: Italienisch und Italienischdidaktik

Im Zentrum der Professur steht die Forschung zur italienischen Sprache und zur Fachdidaktik von Italienisch als Schul- und Fremdsprache. Der Fokus liegt auf den Italienischunterricht im mehrsprachigen Kontext Graubündens und der Schweiz. Aktuelle Projekte beschäftigen sich mit der Rolle des Italienischen als Minderheitensprache in Graubünden, sowohl in der Schule als auch in der Gesellschaft. Die Professur widmet sich ausserdem der Entwicklung von Lehrmitteln für das Fach Italienisch als Schul- und Fremdsprache auf Primar- und Sekundarstufe I.

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Kontakt

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