Migrationsgeschichte.ch
Flucht und Migration beschäftigen schon die Kleinsten

Birden Terzi Karakoc unterrichtet eine 2. Primarklasse. Unter den Schülerinnen und Schülern sind viele, die Deutsch als zweite Sprache lernen. Die Unterrichtseinheiten auf migrationsgeschichte.ch sind für die engagierte Lehrerin Inspiration und Hilfe zugleich – denn Flucht und Migration beschäftigen schon die Kleinsten.

Interview mit Birden Terzi: Anina Torrado Lara

Frau Terzi, wie sind Sie auf migrationsgeschichte.ch aufmerksam geworden? 

Birden Terzi Karakoc: Meine ehemalige Dozentin Bigna Sommer hat mir im Sommer 2021 von der neuen Website erzählt. Sie betreute mich bei meiner Diplomarbeit an der Pädagogischen Hochschule Graubünden in Chur zu einem Thema in der interkulturellen Pädagogik. 

Welche Materialien haben Sie eingesetzt? 

Obwohl ich ein sehr herausforderndes Schuljahr hinter mir hatte, wollte ich etwas zum Thema «Flucht und Migration» machen. Ich habe mir für die Adventszeit einige Aspekte aus der Geschichte «Wo holt der Nikolaus seine guten Sachen» herausgepickt und sie mit der Klasse aufgenommen. 

Wie reagieren die Kinder auf das Thema Flucht und Migration? 

Je nach Kind sehr unterschiedlich. Während für einige Kinder der Migrationshintergrund keine Rolle spielt, ist es für andere enorm wichtig und sie identifizieren sich stark mit ihrer Herkunft. In der Nikolaus-Geschichte kommen auch Länder vor, die in der Schweizer Gesellschaft nicht so populär sind. Auf migrationsgeschichte.ch habe ich gelesen, dass auch Herkunftsländer wie Albanien oder die Türkei berücksichtigt werden – Nationalitäten, die in meiner Klasse vertreten sind. Das fand ich spannend! Es geht für einmal nicht um den klassischen Samichlaus vom Nordpol. Das ist eher selten in Bildergeschichten, die in der Adventszeit genutzt werden. Ich habe sehr positive Reaktionen erhalten und vor allem sehr viele überraschte Gesichter gesehen. 

Worauf legen Sie besonders Wert? 

Das Thema Migration im Unterricht aufzunehmen, ist anspruchsvoll. Für mich ist es wichtig, die Kinder mit einem Migrationshintergrund so wenig wie möglich «zuzuordnen». Die Kinder wollen sich nicht als «anders» sehen. Falls jedoch ein Kind von sich aus mehr von seinem Migrationshintergrund preisgeben möchte, kann ich als Lehrperson da ansetzen und den Faden weiterspinnen.  

Als Lehrperson muss ich taktvoll sein und erkennen, ob das Kind möchte, dass man es mit einem  zusätzlichen Land verbindet oder eben nicht.

Birden Terzi Karakoc, Primarlehrerin

Reden die Kinder gerne über ihre Migrationsgeschichte? 

Es kann auch vorkommen, dass ein Kind gar keinen Bezug zur Migrationsgeschichte seiner Familie oder dem Herkunftsland der Grosseltern hat. Das Thema scheint aus unbekannten Gründen abgeschlossen oder man wollte nie wirklich darüber sprechen. Es ist aber klar, dass jede Familie eine Migrationsgeschichte hat. Die einen sind stolz auf ihre Herkunft und reden zu Hause viel darüber, für andere Familien ist es eher ein Tabu. Da muss ich vorsichtig sein und darf das Kind nicht zur Gruppe mit Migrationshintergrund zuordnen, nur weil sein Name darauf hinweist. Als Lehrperson muss ich taktvoll sein und erkennen, ob das Kind möchte, dass man es mit einem zusätzlichen Land verbindet oder eben nicht. 

Was gefällt Ihnen an migrationsgeschichte.ch? 

Mir gefällt die Idee sehr. Es ist wichtig, Migration in der Schule spielerisch zu thematisieren – und das bereits bei den Kleinen. Es ermöglicht allen Beteiligten, sich damit auseinanderzusetzen. Jede Familie hat eine Migrationsgeschichte. Diese Tatsache zu verinnerlichen ist wichtig, denn so hat man nicht das Gefühl, dass einige Kinder in der Klasse vernachlässigt werden. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass der Fundus an Materialien für die interkulturelle Pädagogik rar ist. Unsere Nachbarländer sind uns da voraus! 

Wie können Sie als Lehrperson profitieren? 

Als Lehrperson denkt man oft, man müsse das Rad neu erfinden. Auf migrationsgeschichte.ch hat es viele Unterrichtsvorschläge und Materialien, die die Planung enorm erleichtern. Diese geben mir einen grossen Spielraum. Schön finde ich auch, dass die Unterrichtseinheiten aufeinander aufbauen. 

Was verbinden Sie persönlich mit Migration? 

Allein mein Name zeigt schon, dass ich einen Migrationshintergrund habe. Migration ist ein wichtiges kulturelles Gut. Es verändert das Individuum und die Gesellschaft. Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema bewirkt man bei den Menschen oft einen Perspektivenwechsel. Sie legen Vorurteile ab und verstehen besser, warum eine Gesellschaft sich so entwickelt hat. Ausserdem ist es mir wichtig, mich mit der eigenen Migrationsgeschichte auseinanderzusetzen. Ich habe mich besser kennengelernt und bin kritischer – aber auch offener – für kulturelle Begebenheiten geworden. 

Zur Person 

Nach einer kaufmännischen Lehre und dem Studium zur Eidg. Dipl. Betriebswirtschafterin HF hat Birden Terzi Karakoc in verschiedenen Branchen gearbeitet, unter anderem im damaligen Asylzentrum EVZ in Altstätten SG. Später hat sie sich an der Pädagogischen Hochschule Graubünden zur Primarlehrperson ausbilden lassen und Erfahrungen auf verschiedenen Primarstufen gesammelt. Auch Erwachsene hat sie in Deutsch für Fremdsprachige unterrichtet. Birden Terzi Karakoc ist selbst zweisprachig aufgewachsen und Mutter von drei Kindern.  

Migrationsgeschichte.ch

Flucht und Migration haben viele Facetten. Und das Klassenzimmer ist ein wichtiger Ort der Reflexion, Verarbeitung und Integration. Die neue Website Migrationsgeschichte.ch der Pädagogischen Hochschulen Graubünden und Zürich bietet fundiertes, aktuelles Hintergrundwissen und fertig vorbereitete Unterrichtssequenzen für Lehrpersonen, um über das Weltgeschehen, Flucht und Migration zu reden.

Migrationsgeschichte.ch

Themenidee für die Weihnachtszeit

Wem begegnet der Samichlaus auf der Reise durch die Länder, wo die Baumnüsse, Mandarinen und Kakaobohnen für die Schoggi herkommen? Birden Terzi hat ihren Schüler:innen das Kinderbuch «Wo holt der Nikolaus seine guten Sachen» vorgelesen und es zum Anlass genommen, über die eigene Familiengeschichte zu sprechen.

Für die Sekundarstufe gibt es ausserdem einen neuen Unterrichtsvorschlag: «Martin Marty, der Indianermissionar aus Schwyz».

Zur Nikolaus-Geschichte.

18. Fachtagung Deutsch als Zweitsprache (DaZ): Ressourcen interkultureller Vielfalt als Chance nutzen

Interkulturelle Vielfalt bietet verschiedene Zugangsweisen, die Herausforderungen des Alltags anzugehen. Werden diese Zugangsweisen als Ressourcen und nicht als Hindernis angesehen, können DaZ-Lernende und ihre Familie wirkungsvoller integriert werden und auch die Umgebung profitiert von dieser Reichhaltigkeit. Im Rahmen der 18. DaZ-Tagung sollen die Potenziale interkultureller Ressourcen auf der Familienebene, Elternebene wie auch der Unterrichtsebene näher beleuchtet werden.  

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CAS Deutsch als Zweitsprache (DaZ)

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