#HOCHmusikalisch:
Hochmusikalisch sind wenige, musikalisch hingegen alle

«Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum», so Friedrich Nietzsche. Musik ist im Alltag allgegenwärtig. Sie ist eine Bereicherung, aber auch eine Zumutung, wenn sie in Form von Lärm und täglicher Berieselung daherkommt. Diese Unterscheidung zu meistern gehört zu den Kompetenzen, über welche sowohl Schülerinnen und Schüler als auch (künftige) Lehrpersonen verfügen sollten. Ein Gespräch über Musik – mit der Musikdozentin Cornelia Meier und den Instrumentallehrern Christian Cantieni und Frieder Torp.

Von Franca Caspani

Anders als an anderen Pädagogischen Hochschulen ist Musik an der PH Graubünden Pflichtfach. Ist aber jeder Student und jede Studentin musikalisch begabt? Ist jeder Mensch musikalisch? Kann jede Person das Musizieren auf einem Instrument lernen? Was bedeutet Musik als Schulfach? Und wie können Lehrpersonen die Musikalität ihrer Schülerinnen und Schüler in der Schule fördern?

Franca Caspani, Studiengangsleiterin Primarstufe, im Gespräch mit der Musikdozentin Cornelia Meier und den Instrumentallehrern Christian Cantieni und Frieder Torp.

 

Was bedeutet für euch Musik?

Frieder Torp: Musik ist meine persönliche Komfortzone und gleichzeitig auch mein Ventil. Musik ist mein Zuhause.

Christian Cantieni: Für mich ist Musik wie eine lebenslange Begleiterin. Sie ist Teil meines inneren Gleichgewichts.

 

Was beinhaltet das Fach Musik in der Schule?

Cornelia Meier: Im Sinne des LP21 und aus der Sicht der Musikdidaktik ist Musik dies: Lieder singen, Rhythmen klatschen, eine Melodie pfeifen, ein Instrument spielen, tanzen, Musik hören, Musik analysieren, Musik aufschreiben, Musik erfinden u.v.m.

 

Habt ihr eine persönliche Erinnerung an euren Musikunterricht in der Primarschule?

Christian Cantieni: Ich denke, dass ein Musik- oder Theaterprojekt prägend ist und bedeutende Erinnerungsspuren hinterlässt. Für mich waren Lehrerinnen und Lehrer, welche in der Schule selbst ein Instrument gespielt haben, besonders faszinierend. Auch das mehrstimmige Singen war für mich eindrücklich und ist mir besonders in Erinnerung geblieben.

Frieder Torp: In der ersten Klasse hatte ich eine eigene Flöte, die ich mit meinem Vater gebaut hatte. Später habe ich Akkordeon gespielt und Ländlermusik gehört. Diese Art Musik hat mich sehr berührt. Mit 14 Jahren hat mir mein Vater den ersten Akkord auf der Gitarre gezeigt. Von da an wusste ich es, ich musste das Instrument lernen.

 

Ist jede Person musikalisch?

Frieder Torp: Wenn sie offene Ohren für die Musik hat, viel darin investiert und viel übt, ja.

Christian Cantieni: Musikalisch ist jede Person, die Musik gerne hat und bereit ist, sich auf Musik einzulassen.

Cornelia Meier: Stefanie Stadler Elmer[1] hat in ihren Forschungen gezeigt, dass alle Kinder Zugang zum Musikalischen haben. Entscheidend ist, dass Kinder schon sehr früh, am besten schon während der Schwangerschaft, mit Musik in Berührung kommen. Idealerweise geschieht dies über die engsten Beziehungspersonen.

Leider haben nicht alle Kinder das Glück, ihre Kinderjahre bis zum Schuleintritt in einer musikfördernden Umgebung verbringen zu können. Man etikettiert solche Kinder dann gerne als "unmusikalisch". Diese Kinder sind aber nicht unmusikalisch, sondern haben ein feststellbares Erfahrungsdefizit. Ihnen gegenüber hat die Schule eine Verpflichtung, die nicht von "unmusikalisch" ausgeht, sondern von Erfahrungsdefizit. Denn grundsätzlich haben alle Kinder Freude am musikalischen Handeln und können sich auch ohne Vorkenntnisse musikalisch ausdrücken.

 

 

Auch Musikschulen bieten Musikunterricht an. Soll jedes Kind ein Instrument lernen?

Christian Cantieni: Jedes Kind soll dazu ermuntert und dabei unterstützt werden, ein Instrument zu erlernen. Für jedes Kind, welches dies möchte, sollte die Möglichkeit bestehen.

Frieder Torp: Ja. Der finanzielle Aspekt sollte keine Hürde sein. In anderen Ländern ist die Hürde dafür viel tiefer. Die Kinder sollten aber selbst entscheiden können.

«Grundsätzlich haben alle Kinder Freude am musikalischen Handeln und können sich auch ohne Vorkenntnisse musikalisch ausdrücken».

Cornelia Meier, Musikdozentin

Wie sieht guter Musikunterricht auf der Primarstufe aus?

Christian Cantieni: Idealerweise unterrichtet die Klassenlehrperson auch das Fach Musik. Musik sollte nicht nur in den zwei Lektionen pro Woche präsent sein. Besser ist es, wenn die Klasse täglich musiziert, zum Beispiel mit einem gemeinsamen Lied am Tagesanfang. Musik soll auf vielseitige Weise im Unterricht vorkommen: Singen, Bewegung und Musik, Rhythmus, Tanz, gemeinsame musikalische Erlebnisse u.v.m.

Cornelia Meier: Sowohl Werner Jank wie auch Mechtild Fuchs[2] bezeichnen einen aufbauenden Unterricht als guten Musikunterricht. Aufbauender Musikunterricht arbeitet mit vielfältigem Musizieren. In verschiedenen Stilen, Formen und Arbeitsweisen musizieren Schülerinnen und Schüler gemeinsam oder allein: Dies geschieht zum Beispiel mit Singen, Bewegungsspielen, Klassenorchester, Trommeln, Tanz, Bodypercussion, Musizieren mit Orff-Instrumenten, Rock und Folklore, Boomwackers, Mini-Musicals u.v.m.

Dieses vielfältige Musizieren bildet die Grundlage für den Erwerb musikalischer Fertigkeiten und fördert gleichzeitig musikalische Fähigkeiten. Es soll den grössten Teil der Unterrichtszeit in Anspruch nehmen.

Musikalisches Gestalten fördert die musikalischen Fertigkeiten und Fähigkeiten. Entscheidend ist für mich, dass diese systematisch aufbauenden, lehrgangsartigen Anteile den Unterricht nicht dominieren, sondern begleiten.

Musikunterricht, und Musik im Allgemeinen, dient ebenfalls der Erschliessung von Kulturen. In einer gelebten musikalischen Praxis können die Kinder musikalische und ästhetische Erfahrungen machen und dadurch die eigene Kultur wie auch andere Kulturen kennen lernen.

Frieder Torp: Musik soll Emotionen wecken, Gefühle ansprechen und ein Gemeinschaftswerk sein. Musik verbindet und wirkt inklusiv. Jedes Kind kann einen musikalischen Beitrag zum Gesamtwerk leisten. Der Paukenschlag im richtigen Moment ist ebenso wichtig wie die erste Stimme.

 

Wie sieht guter Musikunterricht für Studierende an der PH Graubünden aus? Wie kann sie die Basis für einen guten Musikunterricht in der Schule legen?

Cornelia Meier: Guter Musikunterricht braucht Lehrpersonen, die sich in das musikalische Geschehen als Beziehungsperson einbringen können; sie sind nicht nur Vorsingende und Vortanzende, sondern auch Mitsingende und Mittanzende. Auf diese Rolle sollen die Studierenden neben dem Handwerklichen im Studium vorbereitet werden. 

 

[1] Stadler Elmer, S. (2000). Spiel und Nachahmung. Aarau: Wege musikpädagogische Schriftenreihe, Band 12.


[2] Fuchs, M. (2015). Musikdidaktik Grundschule. Innsbruck: Helbling.
Jank, W. (2004). Thesen. Aufbauendes Musiklernen in der Schule. Vortrag auf dem 6. Mainzer musikpädagogischen Seminar.

Musikausbildung an der PH Graubünden

An der PH Graubünden absolvieren Studierende eine Generalist:innen-Ausbildung. Das Fach Musik ist fester Bestandteil des Studienplans. Alle Studierenden besuchen Musikmodule im Umfang von 14 bis 16 Kreditpunkten. Sie erhalten zudem während vier Semestern Instrumentalunterricht für Gitarre, Klavier, Blockflöte oder Sologesang.

Cornelia Meier hat nach Abschluss des Lehrerseminars Chur zwei Jahre an der Mehrklassenschule Zillis/GR als Primarlehrerin unterrichtet. Anschliessend absolvierte sie das Studium der Schulmusik II an der Akademie für Schul- und Kirchenmusik Luzern. Nach mehrjähriger Unterrichtstätigkeit am Kindergartenseminar und der Kantonsschule Chur ist sie seit 2003 als Dozentin für Fachdidaktik Musik an der PH Graubünden tätig. 2022 übernahm sie die Bereichsleitung der Fachbereiche Gestalten, Musik und Sport. Seit über 30 Jahre leitet sie Chöre. 

Christian Cantieni besuchte das Lehrerseminar in Chur, bevor er am Konservatorium Winterthur, an der Musikhochschule in Aachen und an der Musikhochschule in Basel studierte. Das Musikstudium schloss er mit den Lehrdiplomen für Sologesang, Klavier und Orgel und dem Konzertdiplom für Sologesang ab. Es folgte eine rege Tätigkeit als Konzertsänger. Er ist Organist in Chur und unterrichtet Klavier an der PH Graubünden und an der Musikschule Chur. 

Frieder Torp absolvierte seine erste Ausbildung als Primarlehrer an der PH Graubünden und studierte anschliessend Schulmusik II an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Neben seiner Tätigkeit als Kantonsschullehrer und Gitarrenlehrer an der PH Graubünden, arbeitet er als Songwriter, Live- und Studiogitarrist mit diversen Bands und verfolgt sein eigenes Soloprojekt «Torp». Er lebt in Zürich.

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