#HOCHgeflogen:
Vom Flugzeug ins Klassenzimmer

Jenny Muggli und Tonio Wyler absolvieren an der PH Graubünden das zweite Studienjahr des Bachelorstudiengangs Primarschule. Die Studierenden erzählen, was sie dazu bewogen hat, den Beruf als Flight Attendant hinter sich zu lassen und Primarlehrperson zu werden.

Wie kam es dazu, dass ihr euch damals für den Beruf Flight Attendant entschieden habt und jetzt hier bei uns an der PH Graubünden studiert?

Jenny: Bereits nach der obligatorischen Schulzeit wusste ich, dass ich Lehrerin werden möchte und trotzdem habe ich mich für eine Lehre als Kauffrau entschieden. Ich wollte auf Nummer sicher gehen und eine solide Grundbildung absolvieren. Nach der Lehre war mir klar, dass ich nun endlich meinen Traum "Lehrerin zu werden" verwirklichen möchte, ich wollte zuerst aber noch mein Englisch verbessern und die Welt bereisen. So verbrachte ich vier Monate in einer Sprachschule auf Hawaii und erwarb das entsprechende Sprachdiplom, damit ich für die PH dann gerüstet war. Noch während meinem Auslandaufenthalt habe ich mich für ein Casting als Flight Attendant bei der Swiss beworben, denn das Reisen hat es mir angetan. Es haben sich 120 Interessierte gemeldet und nach diesem eintägigen Casting konnten sich schlussendlich rund 30 bei der Swiss als Flight Attendant bewerben. So startete ich dann im Mai 2019 mit dieser Tätigkeit. ​​​​​​​

​​​​​​​Tonio: Ich habe nach der Primarschule ein Jahr lang die Realschule besucht, bevor ich in die Sekundarschule wechselte. Im Anschluss habe ich das Gymnasium absolviert. Der Beruf des Lehrers war immer irgendwo im Hinterkopf, aber zuerst habe ich mich für das Studium "Sinologie" eingeschrieben und dieses während einem Jahr besucht. Ich habe Chinesisch gelernt und bin parallel auch viel nach China gereist. Dann kam ich zur Swiss und ich habe den Beruf Flight Attendant während zehn Jahren ausgeübt. Sobald die Möglichkeit bestanden hat, habe ich die Zusatzausbildung "Chef de Cabine" absolviert. Ich war insgesamt acht Jahre bei der Swiss und 2 Jahre bei der Edelweiss tätig.

 

Welche Momente waren für euch als Flight Attendant besonders herausfordernd?

Jenny: Auf den ersten Flügen wurde mir brutal übel und ich dachte, jetzt hast du die doch recht strenge Ausbildung für nichts gemacht. Doch mit der Zeit gewöhnte sich mein Körper an die neue Tätigkeit hoch über den Wolken.

Tonio: Ich musste meine Position als Führungsperson zuerst finden, denn ich war sehr streng mir selber gegenüber und war stets bestrebt, gute Lösungen für alle Beteiligten zu finden. Das hat mich angetrieben und auch in meinem Berufsalltag erfüllt. Und in dieser Position musste ich immer die Nerven bewahren, das war mein Job. Das war einerseits spannend, aber ehrlich gesagt auch sehr streng und herausfordernd.

 

Was war der Moment, der euch besonders positiv in Erinnerung bleibt?

Jenny: Da gibt es sehr viele, denn ich habe diesen Beruf mit viel Freude und Engagement ausgeübt. Das Schönste war immer, wenn Passagiere beim Verlassen der Maschine mir persönlich gedankt haben und es kam auch immer mal wieder vor, dass sie mir eine kleine Aufmerksamkeit geschenkt haben. Am meisten habe ich mich über eine Kinderzeichnung gefreut.

Tonio: Da könnte ich dir von ganz vielen Situationen berichten. Das Wertvolle war, du hattest während jedem Flug ein neues Team und es musste stets funktionieren, das heisst, wir haben stets am gleichen Strick gezogen. Und es hat erstaunlicherweise wirklich immer funktioniert; sagen wir zumindest mal zu 99 Prozent.

Ihr habt eure berufliche Tätigkeit über den Wolken an den Nagel gehängt und euch für das Studium zur Lehrperson entschieden. Wie kam es dazu?

Jenny: Für mich stand der Beruf als Lehrerin immer an erster Stelle. Ich wollte mir einfach etwas Zeit lassen und wertvolle Erfahrungen sammeln, bevor ich dann an der PH Graubünden einsteige.

Tonio: Den Beruf als Lehrer hatte ich stets im Hinterkopf. Ich wollte unbedingt Kinder und Jugendliche auf ihrem Lebensweg begleiten und fördern. ​​​​​​​Das ist schliesslich nachhaltiger als Fliegen. Corona hat den Ausstieg dann begünstigt und so kam ich von Zürich, wo ich auch aufgewachsen bin, nach Arosa und arbeitete in einem Sportgeschäft. Dort bin ich übrigens noch immer tätig. Und so war der Weg an die PH Graubünden gegeben.

 

Gibt es Parallelen zwischen den beiden Berufen?

Jenny: Da gibt es viele. Im Flugzeug muss man klar Führung übernehmen und das wird auch im Schulzimmer gefordert. Weiter muss man sich als Flight Attendant wie auch als Lehrerin in Notfallsituationen ruhig verhalten und kein Tag ist wie der andere. Beide Berufe enthalten viele Überraschungen. Im Büro war der Alltag viel weniger abwechslungsreich.​​​​​​​

Tonio: Immer wieder wurden Flüge annulliert und ich musste mich vor rund 200 Passagiere stellen und ihnen diese Botschaft überbringen. Die Reaktionen waren jeweils sehr unterschiedlich emotional. Hier habe ich für meinen künftigen Beruf als Lehrer viel gelernt.​

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Was nehmt ihr aus eurer früheren Tätigkeit ins Studium und auch in den Beruf als Lehrperson mit?

Jenny: Auch an der PH Graubünden sind Planen und strukturiertes Arbeiten wichtig. Ich habe an Selbstbewusstsein gewonnen und hinterfrage eigentlich meine Leistungen nie. Ich weiss, was ich gut kann und wo ich besonders investieren muss.

Tonio: Oberstes Gebot war immer das De-Eskalieren und das nehme ich auch mit ins Klassenzimmer. Das Austauschen und Arbeiten mit anderen Kulturen ist extrem spannend, aber auch sehr streng und gerade bei Langstreckenflügen war auch ich manchmal recht müde, ich musste aber stets funktionieren. So habe ich mir verschiedene Strategien und Techniken angeeignet, gerade auch in schwierigen Gesprächen. ​​​​​​​Manchmal habe ich mich zu einem Passagier hingesetzt und im Verlaufe des Gesprächs wurde deutlich, dass der verspätete Abflug gar nicht der Grund für die schlechte Stimmung des Passagiers war; oft steckten ganz andere familiäre oder berufliche Gründe hinter einem aggressiven Verhalten. Hier haben wir auch während der Ausbildung zum Chef de Cabine sehr viel gelernt.

 

Werden eure Schülerinnen und Schüler etwas von eurem Engagement als Flight Attendant mitbekommen?

Jenny: Im Praktikum hatten wir im NMG-Unterricht das Thema "Afrika". Hier konnte ich aus dem Vollen schöpfen, Bilder zeigen und auch von meinen Erlebnissen live berichten. Damit konnte ich die Kinder "fesseln", denn sie spürten, dass es authentisch ist.

Tonio: Ich habe in meinem Praktikum einen Teil meiner Berufskleidung als Flight Attendant mitgenommen und die Klasse durfte raten, was mein beruflicher Hintergrund ist. In NMG werde ich natürlich die Vielfalt der Kulturen mit den Kindern thematisieren können, darauf freue ich mich sehr.

Was hat euch im Studium und in der Rolle als Lehrperson am meisten überrascht?

Jenny: Ich habe den Kindern viel zu wenig zugetraut. Schon die Kinder der ersten und zweiten Klasse haben ein grosses Wissen, was fremde Kulturen und Länder anbelangt. Da habe ich oft gestaunt.

Tonio: Ich war erstaunt, wie sehr sich der Unterricht seit meiner eigenen Schulzeit verändert hat und ich hätte mir gewünscht, auch in der heutigen Zeit aufwachsen zu können.

 

Auf was freut ihr euch in der Rolle der Lehrperson besonders?

Jenny: Auf meine eigene Klasse, denn eine Lehrerin kann für das einzelne Kind sehr prägend sein, das habe ich selber auch so erlebt. Ich kann in diesem Beruf etwas bewegen und die Kinder individuell fördern.​​​​​​​

Tonio: Ich freue mich darauf, die Fortschritte der einzelnen Kinder beobachten zu können und das über eine längere Zeit hinweg.

 

Wo seht ihr euch in 10 Jahren? Als Lehrperson? Als Flight Attendant oder eine Kombination aus beidem?

Jenny: Als Lehrerin oder gar Heilpädagogin und wer weiss vielleicht mit einem Teilpensum bei der Swiss.​​​​​​​

Tonio: Mich würde eine Kombination der beiden Berufe sehr reizen. Es gibt doch einige Lehrpersonen, die aktuell bei der Swiss oder auch bei Edelweiss beide Berufe ausüben. Es gibt dafür extra eine Organisation, man fliegt dann beispielsweise über Weihnachten / Neujahr sowie an anderen vorgegebenen Daten während den Schulferien oder an Feiertagen.

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