Wissenschaftscafé:
Resilienz bei Kindern und Jugendlichen fördern

Die Fähigkeit, gestärkt aus Krisen hervorzugehen, ist heute ein zentrales Thema. Welche Rolle spielen soziale Rahmenbedingungen bei der Resilienzentwicklung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen?

Prof. Dr. Albert Düggeli, Prorektor Forschung und Entwicklung

Resilienz ist bereits seit längerem ein zentraler Begriff, wenn über Menschen und ihre Entwicklung gesprochen wird. Nicht nur Fachleute wissen inzwischen, dass schwerwiegende Lebenskrisen überwunden werden können, ohne dass die Betroffenen daran zerbrechen. Die Menschen sind sich also ihrer psychischen Widerstandsfähigkeit bewusst, und das ist eine gute Botschaft. Und auch die Forschung bestätigt: Personen, die in der Lage sind, sich den sogenannten Widrigkeiten des Lebens entgegenzustellen, scheinen besonders gut ausgerüstet zu sein, ihre eigene Entwicklung adaptiv voranzubringen. 


Merkmale und Faktoren der Resilienz
Es überrascht denn auch nicht, dass intensiv nach Merkmalen gesucht wird, die es Menschen ermöglichen, Resilienz zu entwickeln. Und tatsächlich ist das Wissen hierzu schon relativ differenziert aufgearbeitet. So ist gut belegt, dass eine stabile Selbstwirksamkeitserwartung Menschen in Krisensituationen stärkt. Die betroffenen Personen bleiben handlungsfähig und aktiv. Ebenso spielen sogenannte «relevante Dritte» – also unterstützende Personen im Umfeld der Betroffenen – eine entscheidende Rolle.

Ist also nicht nur das Phänomen der Resilienz bekannt, sondern kennt man auch Faktoren, die Resilienz entwickeln helfen, liegt es nahe, Menschen während kritischen Lebensphasen zu unterstützen oder sie auf mögliche Krisen vorzubereiten. Dies wird im Rahmen sogenannter Ressourcenstärkungen bereits gemacht, Tendenz zunehmend. 

Psychosoziale Herausforderungen junger Menschen
Konkret wird diese Praxis dann sichtbar, wenn pädagogisch-psychologisch geschultes Fachpersonal mit krisenbetroffenen Kindern oder Jugendlichen arbeitet. Hier wird klar, wie zunehmend unsicher das Heranwachsen in der heutigen Zeit geworden ist. Viele junge Menschen stehen unter psychosozialem Druck, weil sie beispielsweise Angst haben, zu versagen, und sich deshalb nicht sicher sein können, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Dies zeigt, wie gesellschaftliche Sicherheiten brüchig geworden sind und sich zunehmend in Entwicklungsrisiken verwandelt haben. 

Gesellschaftliche Verantwortung und Resilienz
In diesem Kontext ist der Aufbau stabilisierender Ressourcen unabdingbar, ja gar bedeutsam. 
Und dass hier, sozusagen ambulant und teils unter Notfallbedingungen, Hilfe geleistet werden muss, ist wohl noch weniger zu hinterfragen. Doch eine dritte und übergeordnete Frage rückt dabei in den Fokus: Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Gesellschaft, Familie und dem Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen heute? Gibt es gesellschaftliche und/oder familiäre Verantwortungen, die es ermöglichen, Aufwachsbedingungen so zu gestalten, dass mehr Stabilität und Sicherheit beziehungsweise Akzeptanz für junge Menschen möglich wird? Bedeutet Resilienzförderung also nicht nur, an situativ erlebten Krisen nicht zu zerbrechen, sondern auch, gesellschaftliche Voraussetzungen zu schaffen, die Jugendlichen den Aufbau stabilisierender Ressourcen erleichtern? 

Ist unser Blick auf Resilienz verkürzt, wenn wir diese nur als Fähigkeit verstehen, auftauchende Krisen zu bewältigen und produktive Entwicklungen unter Risikobedingungen voranzubringen? Sollte Resilienz also mehr umfassen, als nur die Einzelnen selbst in den Blick zu nehmen und sie gewissermassen «krisenresistent» zu machen? Oder sehen wir hier allenfalls Grenzen des Konzepts? Weil die Vermutung nahe liegt, dass auf eigenartige Weise die Verantwortung im Umgang mit einer krisenhaften Gesellschaft primär den heranwachsenden Individuen übergeben wird? Diese Fragen verlangen einen sensiblen Umgang mit einem hoffnungsvollen Konzept. 

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