Interview
Berufspraktische Ausbildung: «Wir koordinieren jährlich 700 Praktikumsplätze an Schulen»

Alessandra Savino ist mitverantwortlich für die Berufspraktische Ausbildung an der PH Graubünden. Im Interview spricht sie über die Vorteile der Praktika für Studierende, Praxislehrpersonen sowie Schulen und beleuchtet die grössten Herausforderungen bei der Organisation der Studienplätze.

Wie beeinflussen deine früheren Erfahrungen als Lehrperson, Praxislehrperson und Schulleiterin deine heutige Arbeit? 

In meinen früheren Rollen konnte ich die Zusammenhänge an der PH Graubünden nur begrenzt überblicken. Beispielsweise wusste ich nicht, wann welche Ausbildungsschwerpunkte an der Hochschule gesetzt wurden. Die Auszubildenden kamen und ich arbeitete mit ihnen mit meinen Rahmenbedingungen. Diese sind zum Beispiel anders in einer Gesamtschule als in einer Einzelklasse. Heute, als Co-Leiterin der Berufspraktischen Ausbildung, reflektiere ich das Ausbildungskonzept stets vor dem Hintergrund meiner früheren Erfahrungen. Jede Schule hat unterschiedliche Bedingungen, pflegt verschiedene Unterrichtsstile und wird von Lehrpersonen unterschiedlichen Alters geprägt. Es ist mir wichtig, dass sowohl Praxislehrpersonen wie auch Studierende erkennen, dass es verschiedene Wege im Unterricht gibt. 

Alessandra Savino ist Co-Spartenleiterin der Berufspraktischen Ausbildung an der PH Graubünden. Sie ist ausgebildete Primarlehrperson und war als Praxislehrperson sowie als Schulleiterin an verschiedenen Schulen im Kanton Graubünden tätig. Ihre langjährige Berufserfahrung an Schulen fliessen heute in ihre heutige Arbeit ein: Gemeinsam mit ihrer Kollegin Alexandra Zaugg berät sie Praxislehrpersonen bei der Begleitung von Studierenden, unterstützt Bachelorstudierende während ihrer Ausbildung und ist Ansprechperson für Schulleitungen in Bezug auf Praktika. 

Wie hat sich die Berufspraxis im Laufe der Jahre verändert?  

Sie hat sich inhaltlich weiterentwickelt. Der Praxisbezug an der PH Graubünden hatte schon immer einen hohen Stellenwert in der Ausbildung. Heute absolvieren die Studierenden in jedem Studienjahr ein Berufspraktikum, das jeweils auf dem vorherigen aufbaut. Zudem ist es möglich, in den Praktika unterschiedliche Stufen kennen zu lernen und so die Klassenstufe zu finden, in der man sich auch sicher und wohl fühlt. Bis zum Ende des ersten Semesters ist es ausserdem noch möglich, den gewählten Studiengang zu wechseln.  

 

Wie bereiten sich Studierende auf das Praktikum vor? 

Studierende werden unter Berücksichtigung geografischer und sprachlicher Kriterien in Lerngruppen eingeteilt. Jede Gruppe erhält eine Mentorin oder einen Mentor der PH Graubünden. Diese sind praxiserprobt und sind unter anderem auch verantwortlich für die Studienwoche vor dem jeweiligen Praktikum. Diese dient den Planungs- und Vorbereitungsarbeiten.

Während des Praktikums unterstützen die Praxislehrpersonen die Studierenden mit Unterrichtsvor- und Nachbesprechungen. Diese halten ihre Erfahrungen zusammen mit Lernbelegen in einem Portfolio fest. Nach dem Praktikum reflektieren die Studierenden gemeinsam mit der Mentorin oder dem Mentor in der Lerngruppe die individuell gewählten Entwicklungsschwerpunkte. Das könnte zum Beispiel sein: «Klare Arbeitsaufträge erteilen» oder «Die Klassenführung üben».

Zusätzlich steht den Studierenden unsere Online-Plattform Mahara zur Verfügung, auf der Literatur zu verschiedensten Fachbereichen oder Entwicklungsschwerpunkten zu finden ist. Das ist eine hilfreiche Dienstleistung, zusammengestellt von unseren Dozentinnen und Dozenten. Wenn ich bedenke, dass wir vor 20 Jahren noch in den Bibliotheken nach spezifischen Themen suchen mussten! 

Berufspraktische Ausbildung an der PH Graubünden 


Berufspraktika haben an der PH Graubünden seit jeher einen hohen Stellenwert. Die PH Graubünden gehört zu den Pädagogischen Hochschulen mit einem der höchsten Anteile an berufspraktischen Einsätzen während des Studiums in der Schweiz. Während des Bachelorstudiums absolvieren die Studierenden rund ein Drittel ihrer Ausbildung an Schulen. Bereits in der ersten Studienwoche stehen die angehenden Kindergarten- und Primarlehrpersonen in einer Klasse – begleitet von Mentorinnen und Mentoren sowie Praxislehrpersonen vor Ort. Aktuell arbeitet die Pädagogische Hochschule mit über 40 Schulen innerhalb und ausserhalb des Kantons Graubünden zusammen und koordiniert rund 700 Praktikumsplätze. Das Netzwerk wird laufend ausgebaut. 

 

Was zeichnet ein gutes Praktikum aus? 

Eine erste wichtige Voraussetzung ist, dass die Schulleitung für Praktikantinnen und Praktikanten offen ist. Dies eröffnet uns den ersten Zugang zu den Schulen. Es gibt leider immer noch Schulen, die keine Berufspraktika anbieten. Als zweites sind es die motivierten Lehrpersonen, die an der Ausbildung unserer Studierenden mitwirken. Und Drittens: Ein Berufspraktikum ist dann gelungen, wenn offen über Unterrichtssituationen gesprochen und für die Studierenden ein Lernerfolg ersichtlich wird. Das gilt auch für Situationen, die nicht funktioniert haben. Denn wenn alles schöngeredet wird, bringt es nichts. Letztlich braucht von allen Seiten Motivation: von der Schulleitung, von den Praxislehrpersonen und von den Studierenden. Dann profitieren auch die Kinder – und es entsteht eine Win-Win-Win-Situation. 

 

Hängen Praktikumsplätze immer vom Engagement der Schulleitung ab? 

Es gibt auch Lehrpersonen, die sich unabhängig von der Schulleitung anbieten, da sie an keiner Kooperationschule angegliedert sind. Um diese Lehrpersonen sind wir natürlich sehr froh. Meistens sind es jedoch die Schulleitungen, die gezielt Lehrpersonen motivieren, Studierende ins Praktikum zu nehmen. Die Schulleitungen nehmen eine Schlüsselposition ein. 

 

Können Schulen die Praktikantinnen als Arbeitskräfte in den Klassen einsetzen, die die Lehrpersonen entlasten? 

Nein, das ist anders als in vielen Branchen der Wirtschaft. Der Aufwand für die Praxislehrpersonen ist nicht zu unterschätzen. Deshalb erhalten sie dafür auch eine Entschädigung: Ausgebildete Praxislehrpersonen erhalten pauschal 350 Franken pro Woche Praktikum, nicht ausgebildete 300 Franken. Auch die Kooperationsschulen erhalten eine kleine Aufwandentschädigung von 100 Franken pro Praktikum. 

 

Wie überzeugst du die Schulleitungen? 

Wir haben derzeit über 40 Kooperationsschulen in Graubünden, im St. Galler Rheintal, in Glarus, im Tessin und auch in Liechtenstein. Mit der steigenden Zahl Studierender brauchen wir immer mehr Praktikumsplätze. Derzeit sind es 700 Plätze, die wir koordinieren. Um neue Plätze zu gewinnen, besuche ich die Schulleitungen persönlich, stelle mich vor und erkläre ihnen unser Ausbildungskonzept sowie die Notwendigkeit der Praktika. Der Aufbau und die Pflege eines Beziehungsnetzes erleichtern es, zusätzliche Praktikumsplätze zu finden. Letztlich ergeben sich für die Schulen auch Vorteile bei der Besetzung von freien Stellen. Vielleicht bewirbt sich eine ehemalige Praktikantin, weil sie die Schule schon kennt. Und die Schulleitungen kennen die entsprechenden Stellensuchenden bereits. 

 

Worin besteht deine Arbeit sonst noch? 

Meine Arbeit besteht bei der grossen Anzahl Praktikumsstellen aus viel Koordinationsarbeit. Es gibt auch immer wieder Absagen, zum Beispiel wegen Stellenwechsel, Schwangerschaften oder Weiterbildungen. Dann sind wir gefordert, neue Praktikumsstellen zu finden. Für die Studienwochen mit den Mentorinnen und Mentoren muss auch alles organisiert werden. Zudem fallen Aufgaben betreffend Reakkreditierung und Qualitätssicherung an.  

 

Die Ausbildung zur Praxislehrperson dauert ein Jahr. Warum lohnt es sich, diese Ausbildung zu machen? 

Das Ziel der Ausbildung ist es, dass Praxislehrpersonen die Studierenden der PH Graubünden in den Praktika professionell begleiten und beurteilen können. Sie lernen das Ausbildungskonzept kennen und erhalten Werkzeuge für die Vor- und Nachbesprechung von Unterrichtssituationen. Somit sprechen wir allesamt eine gemeinsame Sprache, wenn es um Unterrichtsentwicklung geht. Darüber hinaus werden die Kommunikationskompetenzen im Hinblick auf die Begleitung und Beratung vertieft, was auch in anderen Lebensbereichen von Vorteil ist.  

Möchten Sie an Ihrer Schule Praktikumsplätze anbieten? 
Nehmen Sie mit uns Kontakt auf. Wir beraten Sie gerne. 

Alessandra Savino und Alexandra Zaugg
Co-Leitung Berufspraktische Ausbildung 

alessandra.savino@phgr.ch
+41 81 354 03 55

alexandra.zaugg@phgr.ch
+41 81 553 01 87

Berufspraktische Ausbildung : Ausbildung zur Praxislehrperson

Als Praxislehrperson unterrichten Sie auf der Volksschulstufe und wirken an der berufspraktischen Ausbildung künftiger Lehrpersonen mit. In der Ausbildung erfahren Sie, wie Sie Studierende der PH Graubünden in den Praktika professionell begleiten und beurteilen können.

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