«Ich erinnere mich noch gut an die Reaktion unseres Lehrers, als er mich im Unterricht fragte, was ich werden möchte», sagt Nadia Starcevic, die ihr drittes Lehrjahr als Applikationsentwicklerin bei der PH Graubünden absolviert. «Als ich ihm zur Antwort gab, dass ich Programmiererin werden wolle, da meinte er, ich sei doch eine Frau. Und Frauen würden sich doch eher für soziale Berufe oder das KV entscheiden», erklärt die 19-Jährige im Gespräch. Damals fragte sie sich: Warum sagt er das? Meint er wirklich, dass Frauen das weniger gut können? Bemerkungen gab es damals vereinzelt auch von Gleichaltrigen: Ob so ein technischer Beruf denn wirklich das Richtige und die technische Berufsmatur nicht zu schwierig für sie sei. Auch die Klischees über Leute, die in der Informatik arbeiten, halten sich bis heute hartnäckig: «Viele meinen tatsächlich immer noch, es sei wie im Film. Informatiker seien irgendwelche Nerds, die mit einer Pizzaschachtel im Keller hinter dem Computer sitzen und fremde Rechner hacken. Das hat mit der heutigen modernen Realität überhaupt nichts mehr zu tun», so die Lernende.
Nadia Starcevic stand zu ihrer Entscheidung, eine Berufslehre in der Informatik zu absolvieren. Schliesslich mochte sie Mathematik schon immer und irgendwie fand sie es spannend, in einem Berufsfeld zu arbeiten, in dem nur wenige Frauen tätig sind. Angst, den Anforderungen nicht gerecht zu werden, hatte sie nie. Viel wichtiger sei es, motiviert zu sein und das nötige Interesse an der Sache zu haben.
Unterstützung durch Eltern und Freunde
Während des gesamten Berufswahlprozesses wurde Nadia von ihren Eltern stets unterstützt. Ihr Vater, der beruflich oft mit Informatikerinnen und Informatikern zu tun hat, betonte immer wieder, wie wichtig es sei, dass mehr Frauen in der IT-Branche vertreten sind. Und ihre Mutter, die ein Männer-Team leitet, hatte sowieso nie ein Problem damit, ganz im Gegenteil. Auch ihre engsten Freundinnen und Freunde haben ihre Entscheidung immer unterstützt. Heute sind sie sogar froh darüber. Denn Computer- und Handyprobleme gehören zum Alltag, und so mancher mit einer Projekt- oder Geschäftsidee benötigt noch eine Webseite. «Sie kommen dann zu mir und fragen mich, ob ich ihnen helfen könne. Ich würde mich mit technischen und digitalen Dingen ja auskennen», erzählt Starcevic.
Informatikerinnen: immer noch eine Seltenheit in der Schweiz
Nadia Starcevic gehört damit zu einer Minderheit. Gerade einmal 10 Prozent aller Informatik-Lernenden sind weiblich. An der Gewerblichen Berufsschule Chur ist die Berufsmaturandin eine von 14 Frauen, die sich zur Informatikerin ausbilden lassen. Die Gewerbliche Berufsschule bildet Lernende u. a. in der Plattformentwicklung, Betriebsinformatik und Applikationsentwicklung aus und zählt in diesen Bereichen 177 Lernende. Die Frage, ob sie sich als Frau in der Schule als Aussenseiterin fühle, verneint sie. «Hier an der Berufsschule werden wir von den Lehrpersonen gut unterstützt und es ist irgendwie selbstverständlich, wenn man als Frau in der Informatik arbeitet», sagt die Auszubildende.