Mit Dario Pirovino sprach Karin Lutz, Leiterin Kurse und Lehrgänge
Dario Pirovino. Hand aufs Herz: Wie viele T-Shirts haben Sie im Schrank?
Ehrlich gesagt, mehr als ich wirklich brauche. Gerade weil ich für die Produktentwicklung zuständig bin, landen auch Prototypen in meinem Kleiderschrank, die oft nicht perfekt passen oder vollständig ausgereift sind. Dennoch trage ich sie weiter, um sie zu testen und Verschwendung zu vermeiden. Generell zeigen mir Daten, beispielsweise zur stark steigenden jährlichen Textilfaserproduktion oder durchschnittlichen Anzahl Tragens eines Kleidungsstückes, deutlich, wie überflüssig und unbedacht Konsum oft ist. Diese Einsicht war mitunter der Anstoss, Muntagnard zu gründen und nachhaltigere Alternativen zu schaffen.
Also eine bewusste Abkehr von der billigen Massenproduktion in der Modeindustrie?
Es war der Wunsch, Mode neu zu denken – weniger «fast fashion» und mehr Wertschätzung für Qualität und Nachhaltigkeit. Gleichzeitig wollten wir beweisen, dass wirtschaftlicher Erfolg und nachhaltiges Handeln sich nicht ausschliessen, sondern sich gegenseitig ergänzen können. Es geht darum, eine innovative, zukunftsfähige und spannende Alternative zu schaffen.
Spannend und innovativ ist auch das T-Shirt-Abo von Muntagnard. Was steckt hinter der Idee?
Die Idee des Kleidernutzens statt -besitzens war einer der ersten Punkte, den Mitgründer Dario Grünenfelder am spannendsten fand, neu zu denken und zu lösen. Uns wurde klar, dass Menschen nicht nur nachhaltigere Produkte brauchen, sondern auch ein System, das überflüssigen Konsum reduziert und gleichzeitig Kreisläufe schliesst. Das T-Shirt-Abo ist ein erster Schritt und unser Beitrag in diese Richtung, um Ressourcenverbrauch zu minimieren und langlebige, begehrenswerte Lösungen zu fördern.
Bitte erklären Sie das Abo-Modell doch ganz kurz.
Die Idee dahinter ist ganz einfach: Man kauft das T-Shirt nicht, sondern man nutzt es - für 6 Franken pro Monat. Am Ende der 6-monatigen Mindestlaufzeit hat man drei Möglichkeiten. Man nutzt das T-Shirt weiter und profitiert von einem günstigeren Abopreis, man sendet das T-Shirt an uns zurück und erhält ein Neues zum bestehenden Abopreis oder man beendet das Abo und sendet das genutzte Shirt wieder uns zurück. Damit soll die möglichst langfristige Nutzung incentiviert werden – was das Nachhaltigste überhaupt ist.
Was passiert dann mit dem T-Shirt?
Kommt das T-Shirt zurück, werden die Fasern zurückgewonnen und wieder zu Garn verarbeitet, aus dem dann wieder neue Textilien produziert werden. Damit schliesst sich der Kreislauf. Entscheidend für den Prozess ist, dass das T-Shirt aus nur einem Material besteht. Bei uns besteht der Stoff, das Nähgarn, etc. ausschliesslich aus hochwertigster Baumwolle, was ein effektives Recycling erst ermöglicht.
Nachhaltigkeit ist der Kern Ihrer Marke. Etwas, das viele Unternehmen heute leben. Was macht Muntagnard besser?
Wir sehen uns nicht als «besser», sondern als konsequent in dem, was wir tun. Unsere Produkte sind von der Materialwahl bis zur Kreislauffähigkeit durchdacht, und wir setzen auf Transparenz – von der Produktion bis zum Recycling. Es geht also nicht nur um Nachhaltigkeit als Trend oder leere Worthülse, sondern um eine langfristige Verantwortung.
Sie haben aus einer Idee ein erfolgreiches Unternehmen gemacht. Wie ist Ihnen das gelungen?
Drei Dinge sind entscheidend: eine klare Vision, Leidenschaft und Durchhaltevermögen. Dazu braucht es ein starkes Team, das an dieselben Werte glaubt. Ohne ein Team, das den Weg gemeinsam geht, bleibt eine Idee nur eine Idee.
Und wie schaffen Sie es, dass Ihr Team Ihre Vision teilt und alle an einem Strang ziehen?
Indem wir unsere Vision und Werte nicht nur definieren, sondern täglich leben. Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen sind zentral, und wir schaffen Raum für Eigeninitiative und Innovation. Wenn alle sich gehört fühlen und wissen, warum wir das tun, was wir tun, entsteht echte Teamarbeit.
Warum sind Visionen und Werte so wichtig?
Eine klare Vision gibt Orientierung, und Werte schaffen ein Fundament für Entscheidungen.
Das mag nicht nur für Unternehmen gelten, sondern auch für Schulen und die Gesellschaft. Sie motivieren, inspirieren und schaffen einen Rahmen, in dem sich Menschen weiterentwickeln können.
Die Modebranche ist bekannt für ihre Schnelllebigkeit. Wie gelingt es einem da, langfristige Strategien konsequent zu verfolgen?
Es braucht Flexibilität. Eine langfristige Strategie sollte auf Kernwerten basieren, die zeitlos sind. Gleichzeitig muss man auf kurzfristige Veränderungen reagieren können, ohne die übergeordneten Ziele aus den Augen zu verlieren. Nachhaltigkeit bzw. Innovationen hin zu mehr Kreislaufwirtschaft sind solch zeitlose Werte, an denen wir uns orientieren.
Zum Abschluss ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Sie wären ab morgen Schulleiter und müssten eine neue Strategie für Ihre Schule entwickeln. Wie würden Sie vorgehen?
Zunächst würde ich meine eigenen Ideen reflektieren und dann den Dialog mit allen Beteiligten suchen – Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern. Diese Perspektiven wären die Grundlage, um eine Vision und Strategie zu entwickeln, die auf Persönlichkeitsentwicklung, Handlungskompetenzen und die Förderung kreativer Lehrpersonen abzielt.
Sie würden also mit einer Art Situationsanalyse beginnen?
Genau. Auf der Basis dieser Erkenntnisse würde ich dann eine Vision und Strategie für die Schule entwickeln, die sich insbesondere auf die Persönlichkeitsentwicklung und Handlungskompetenz der Kinder und Jugendlichen sowie auf die Förderung kreativer und unternehmerisch denkender Lehrpersonen konzentriert. Dabei müsste natürlich berücksichtigt werden, inwieweit Handlungsspielräume bestehen, neben fachlichen und sozialen Kompetenzen auch verantwortliches Handeln in den Schulalltag zu integrieren.
Gibt es Elemente, die bei der Strategieentwicklung besonders wichtig sind?
Für mich wäre es entscheidend, die Vision transparent zu kommunizieren, alle Beteiligten mitzunehmen und regelmässig Feedback einzuholen, um die strategische Umsetzung lebendig zu halten. Besonders wichtig wäre es für mich, mein Team – übersetzt auf die Schulsituation die Lehrpersonen - durch eine Reduktion des administrativen Aufwands zu entlasten und möglichst viel Freiraum zu geben, damit sie ihre Zeit vermehrt für innovative Unterrichtsvorbereitung und die individuelle Betreuung der Schülerinnen und Schüler nutzen können.
Vielen Dank Dario Pirovino für das Gespräch.