Collana
Verbindung von Forschung und Lehre am Beispiel des Projekts «Kindheit und Schulzeit in zwei Alpenregionen»

Die Collana 11 mit dem Titel  «Kindheit und Schulzeit in zwei Alpenregionen – Aufwachsen und Lernen in Südtirol und Graubünden zwischen 1920 und 1970» ist im November 2023 erschienen. Es ist die zweite Publikation, die aus der langjährigen Zusammenarbeit mit der Freien Universität Bozen (FUB) entstanden ist.

Die elfte Ausgabe der Collana ist kürzlich erschienen. Sie gibt Einblicke, wie Kinder zwischen 1920 und 1970 in teils abgelegenen Dörfern und Tälern im Kanton Graubünden oder in Südtirol aufgewachsen und zur Schule gegangen sind.

In den dreissig bildungsbiographischen Portraits berichten die Befragten beispielsweise davon, wie sie während ihres Aufwachsens mit Kriegs- oder Faschismuserfahrungen in Italien konfrontiert wurden. Oder sie erinnern sich daran, was sie auf den teils langen Schulwegen erlebt, oder auch, wie sie ihre Freiheit des Ungehorsams damals gelebt haben. Und auch wird beispielsweise das Einschlafen auf einer Strohmatratze als ein Lebensmoment von grosser Zufriedenheit erinnert.

Sämtliche bildungsbiographischen Portraits wurden im Studienjahr 2021/22 von rund 120 Studierenden der PH Graubünden und rund 240 Studierenden der Freien Universität Bozen im Rahmen des Projekts «Kindheit und Schulzeit in zwei Alpenregionen Südtirol und Graubünden» erarbeitet. Die Studierenden haben Interviews als Teil ihrer methodischen Ausbildung geführt und analysiert. Es war ein Prozess, in dem sie auch schulsystemisches Kontextwissen aufbauen konnten, angereichert mit Einblicken in die je individuell erinnerte Schulrealität.

Durch die Verbindung von Forschung und Lehre in diesem Projekt profitierten beide Leistungsbereiche voneinander. Die Studierenden konnten forschungsmethodische Kenntnisse und Kontextwissen zur schulischen Grundbildung erwerben, und die Forschung zentrale schulhistorische Erkenntnisse gewinnen sowie eine breite Datenbasis anlegen, welche in weiteren Forschungsarbeiten genutzt werden kann.

Blick ins Buch

 

Bibliografische Angaben

  • 222 Seiten
  • Format: 15,5 x 22,5 cm
  • Herausgeberschaft: Ursina Kerle, Annemarie Augschöll Blasbichler und Albert Düggeli (Pädagogische Hochschule Graubünden)
  • ISBN: 978-3-033-09734-6

Verbindung von Forschung und Lehre

Am Beispiel des Moduls Forschung im Studienjahr 2021/22


Das Modul Forschung (Studienjahr 2021/22) wurde basierend auf der 4. Grundform des Ausbildungsmodells von Hascher & de Zordo (2020) durchgeführt. Hascher & de Zordo (2020) differenzieren vier Grundformen von Ausbildungsmodellen, welche die Pole Theorie-Praxis miteinander verbinden.  

1. Theorieprimat

Es überwiegen die wissenschaftlichen Anteile, wobei die Ausbildungsanteile klar voneinander getrennt und kaum aufeinander bezogen sind.

2. Praxisprimat

Die Ausbildung ist berufsbegleitend, die Praxis steht im Mittelpunkt und die wissenschaftlichen Ausbildungsanteile werden auf die minimal notwendigen reduziert.

3. Theorie-Praxis-Dialog

Die wissenschaftlichen und die praktischen Ausbildungsanteile werden voneinander unabhängig betrachtet. Der Wert der Kompatibilität wird erkannt und Brücken der Verbindung der Anteile werden geboten (z. B. dient eine Vorlesung als Grundlage für ein nachfolgendes Praktikum).

4. Theorie-Praxis-Bindung

Wissenschaftliche und praktische Anteile werden integrativ angeboten, indem sich die Lernziele auf beide Teile beziehen. Beispielsweise werden Kriterien von Klassenmanagement auf der Basis von wissenschaftlichem Wissen verstanden, in der Praxis erprobt und in schriftlicher Reflexion mit theoretischem und empirischem Wissen verbunden. (Hascher und de Zordo 2020).

Die Wahl dieses Ansatzes von Hascher und de Zordo (2020) im Modul Forschung im Studienjahr 2021/22 war für die Kompetenzentwicklung der Studierenden sowohl in wissenschaftsmethodischer Hinsicht als auch in Bezug auf die Erweiterung und Vertiefung des bildungswissenschaftlichen und schulpädagogischen Wissens zielführend. Hascher und de Zordo (2020) weisen aber darauf hin, dass das 4. Ausbildungsmodell (Theorie-Praxis-Verbindung) zwar am überzeugendsten ist, aber nicht in allen Ausbildungsbereichen sinnvoll eingesetzt werden kann. Auch fehlen bislang Befunde darüber, ob Lehrpersonen, die nach dem integrativen Modell ausgebildet wurden besser unterrichten als solche, deren Ausbildung anderen Modellen folgte. Sie sehen Wissenschaftlichkeit in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung (LLB) nicht lediglich als eine erwünschte Bereicherung der Praxis, sondern als notwendiger Bestandteil derselben, wenn es darum geht, Sachanalysen durchzuführen, einen Gegenstand zu klären oder einzugrenzen. Sie merken weiter an, dass Wissenschaft und Praxis unterschiedlichen Logiken folgen und dass von einer `Romantik der Integrierbarkeit` abzuraten ist. Vielmehr müssen Wissenschaft und Praxis aufeinander bezogen werden, sollen sie gegenseitig gewinnbringend sein. (ebd.)

Durch die Teilhabe der Studierenden an einem Forschungsprojekt lernen sie mehr als Forschungsmethoden anzuwenden. Durch die originalen Begegnungen erwerben sie Kontextwissen, das ihnen neue Sichtweisen auf die Praxis eröffnet.

Dr. Ursina Kerle, Mitautorin und Projektleiterin

Zum Aufbau von Forschungskompetenzen von Lehramtsstudierenden

2019 stellen Peter Vetter, Markus Gerteis und Sandra Moroni in ihrer Studie «Kompetenzbereich Forschungsmethoden» fest, dass auch nach nahezu 20 Jahren Tertiarisierung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung (LLB) in der Schweiz wenig Klarheit darüber besteht, welches Anspruchsniveau von Master- und Bachelorstudierenden in Bezug auf Forschungskompetenzen am Ende ihres Studiums erwartet werden soll. Spezifisch für den Aufbau von Forschungskompetenzen in der LLB wurden in dieser Studie vier verschiedene Herangehensweisen aufgeführt, welche im Folgenden kurz skizziert werden.

Erste Herangehensweise (Rollen von Forschung in der Lehrerbildung)

Altrichter und Mayr haben bereits 2004 sechs Rollen der Interpretationen von Forschung in der Lehrerbildung beschrieben.

  • Rolle 1: Die Wissensrezeption, welche das Rezipieren berufsrelevanter Forschungsergebnisse umfasst.
  • Rolle 2: Die basale Methodenkompetenz, welche das Kennenlernen von Methoden und Strategien meint, um Forschung kritisch zu rezipieren, ohne eigene Forschung zu betreiben.
  • Rolle 3: Das Einüben von Fallverstehen, für die Analyse und die Bearbeitung berufsrelevanter Fälle zwecks Ausbildung eines berufsrelevanten Habitus.
  • Rolle 4: Mitwirkung in angeleiteter Projektforschung, um in Begleitung von professionellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kleinere Forschungsarbeiten zu schulisch relevanten Themen zu erstellen.
  • Rolle 5: Praxisforschung betreiben, um Aspekte der eigenen künftigen Berufstätigkeit mit Hilfe von Forschungsmethoden auswerten und weiterentwickeln zu können.
  • Rolle 6: Forschung gemeinsam mit der primären Zielgruppe `scientific community` durchführen, um eigene Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu konzipieren und durchzuführen mit dem Anspruch, einen Beitrag zur Wissenschaftsentwicklung zu leisten. (Soukup-Altrichter und Altrichter; Vetter et al. 2019)

Zweite Herangehensweise (Zugänge zu Forschung in der Lehrerbildung)

Van der Linden, Bakx, Ros, Beijaard und van den Bergh kommen bei der Erstellung einer Übersicht 2015 auf folgende fünf Zugänge zu Forschung, welche sich für Lehrpersonen als sinnvoll erweisen können:

1. Ziele und Nutzen von Forschung für Lehrpersonen aufzeigen.

2. Passende Forschungsthemen für Lehrpersonen bearbeiten.

3. Forschungsprozesse erklären.

4. Auseinandersetzung mit produktiver und rezeptiver Nutzung von Qualitätskriterien.

5. Kommunikation von Forschungsergebnissen auf adäquate Weise anstreben. (Vetter et al. 2019)

Dritte Herangehensweise (Niveaus von Forschung als Anwendungskompetenz festlegen)

Die dritte Herangehensweise für Studierende der LLB zu Forschung, welche die Autorenschaft vorstellt, ist eine Differenzierung in drei Niveaus von Anwendungskompetenzen in Bezug auf Forschung, welche von der Pädagogischen Hochschule Schwyz gewählt wurde. Diese drei Niveaus lauten:

1. Grundlegende Forschungsmethoden und Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens kennen.

2. Die wichtigsten Forschungsmethoden des Fachbereichs kennen und anwenden können.

3. Vielfältige Forschungsmethoden kennen und an wissenschaftlichen Projekten partizipieren können. (Vetter et al. 2019)

Vierte Herangehensweise (Auseinandersetzung mit Studienbüchern)

Eine vierte Möglichkeit, welche Vetter, Gerteis und Moroni (2019) erwähnen, ist die Auseinandersetzung der Studierenden mit Studienbüchern, welche sich mit der Ausführung von Forschungsprozessen befassen wie beispielsweise jenes von Aeppli et al. (2016). Die Zielsetzung, welche dabei verfolgt wird, ist, bei den Studierenden eine forschende Haltung zu fördern. Dies geschieht v.a. mittels entsprechender Forschungsansätze (Praxisforschung, Forschendes Lernen, Reflektieren), die vorgestellt werden. (Vetter et al. 2019)

Literaturverzeichnis

Hascher, Tina; Zordo de, Lea (Hg.) (2020): Wissenschaftlichkeit in der berufspraktischen Ausbildung von angehenden Lehrpersonen. Wiesbaden: Springer VS.

Soukup-Altrichter, Katharina; Altrichter, Herbert: Praxisforschung und Professionalisierung von Lehrpersonen in der Ausbildung. Unter Mitarbeit von DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. In: Beiträge zur Lehrerbildung 30 (2012) 2, Bd. 30, 238-251.

Vetter, Peter; Gerteis, Markus; Moroni, Sandra (2019): Kompetenzbereich «Forschungsmethoden»: Was sollen angehende Lehrpersonen am Ende ihrer Ausbildung aus Sicht von Forschungsausbildung tätigen Dozierenden können? In: Beiträge zur Lehrerinnen und Lehrerbildung 37 (2), S. 160–176.

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Die Schriftenreihe versteht sich als Publikationsforum der PH Graubünden. Als Ausdruck der Dreisprachigkeit der Institution trägt sie den Titel «Collana PHGR». Ziel der Reihe ist es, Forschungsergebnisse, Kongressreader, Dissertations- und Habilitationsschriften sowie ausgewählte Qualifikationsarbeiten einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. «Collana PHGR» umfasst analog dem Kernauftrag der Abteilung Forschung, Entwicklung und Dienstleistung folgende zwei Publikationsschwerpunkte: die Schulentwicklung & Beratung und die Mehrsprachigkeit. Daneben sind weitere Themenbereiche möglich.

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Collana 2: Scuola bilingue e plurilinguismo a Maloja

Autor: Prof. Dr. Vincenzo Todisco

Collana 3: Passung in Graubünden

Autorinnen und Autoren: Silvia Conzett/Oscar Eckhardt

Collana 4: Widerstand oder Annahme?

Autorin: Maria Helene Thöni

Collana 5: MINT-CAMPS GR

Autorinnen und Autoren: Lilian Ladner, Leci Flepp (Hrsg.)

Collana 6: Mehrsprachiger Unterricht im Fokus

Autorinnen und Autoren: Franca Caspani, Valeria Manna, Vincenzo Todisco, Marco Trezzini (Hrsg.)

Collana 7: Kompetenzorientiert lernen

Autor: Martin Gehrig

Collana 8: Einfach mehrsprachig. Wie mein Kind mit Leichtigkeit Sprachen lernt

Autorin: Christina vom Brocke

Collana 9: Algorithmisches Denken in der Primarschule

Autor: Dennis Komm et al.

Collana 10: Le nostre lingue – Nossas linguas – Unsere Sprachen

Autoren: Alberto Giudici und Vincenzo Todisco (Hrsg.)

Collana 11: Kindheit und Schulzeit in zwei Alpenregionen – Aufwachsen und Lernen in Südtirol und Graubünden zwischen 1920 und 1970

Herausgeberschaft: Ursina Kerle, Annemarie Augschöll Blasbichler und Albert Düggeli (Hg.)

Forschung an der PH Graubünden Unsere Forschungs-Schwerpunkte.

Die Forschung an der PH Graubünden beschäftigt sich schwerpunktmässig mit Fragestellungen aus den Bereichen „Mehrsprachigkeit“, „Schule und MINT“ und „Schule im alpinen Raum“. Die untersuchten Forschungsfragen gehen von konkreten Problemstellungen aus und suchen nach Verbesserungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Die aus den Forschungsprojekten gewonnen Erkenntnisse fliessen sowohl in die Lehre, in die Aus- und Weiterbildung als auch in die Lehrmittelentwicklung ein.

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