In diesem Buch erzählen Menschen aus ihrer Kindheit.
Sie berichten, wie sie aufgewachsen sind, wie sie gelernt haben, und wie sie zu einzigartigen Persönlichkeiten geworden sind. Sie erzählen von Balancen, die sie zwischen familiären Ansprüchen und schulischen Anforderungen haben finden müssen. Auch berichten sie über unerwartete Ereignisse, aus denen neue Lebensperspektiven gewachsen sind. Sie erzählen es und machen dabei auch klar, dass ihnen nicht immer alles gelungen ist. Nicht immer konnten sie jenen Lebensweg gehen, den sie sich gewünscht haben. Und trotzdem zeigen die Erzählenden, dass sie zufrieden waren. Zufrieden damit, wie alles war und zufrieden damit, dass das eigene Leben ein gutes Leben geworden ist. Dies ist aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive interessant. Aber nicht etwa, weil die Geschichten in irgendeiner Form nachweisen, wie es wirklich war. Ganz im Gegenteil; es liegen nichts anderes als subjektiv erinnerte und damit bewusste Sinnkonstrukte vor. In ihnen ist aber präsent, was bedeutsam war, was also über lebensbiografische Phasen hinweg bewusster Teil der erzählenden Menschen geblieben oder geworden ist. Es ist in gewisser Weise das bedeutungsaufgeladene Nicht-Vergessen, was erziehungswissenschaftlich betrachtet Ankerpunkte dafür liefert, Erziehung, Lernen und Entwicklung als epochaltypisch gelebtes Ineinanderfliessen erkennen zu können. Und dies eröffnet Lehramtsstudierenden ein vielschichtiges Lernfeld. Einerseits in den eben genannten Bereichen, die sie theoretisch ausdifferenzieren und vertiefen können. Andererseits aber auch, weil sie in den Geschichten soziale Kontextdimensionen erkennen können, die stets Teil von erzieherischen beziehungsweise entwicklungs- und lernbezogenen Prozessen sind. Lerngeschichten ermöglichen also theoretisch vielfältig anschlussfähige Ansichten. Der Schritt zu Einsichten aber erfordert analytisch angeleitetes Nachdenken. Und dieses erschliessen sich Studierende durch den Aufbau von forschungsmethodischem Wissen. Damit tragen Lerngeschichten in ihren Gesamtheiten dazu bei, kollektives Vergessen, das lebensbiografisch unvermeidbar ist, zumindest teilweise anzuhalten. Hierzu vermag die vorliegende Collana einen kleinen Beitrag zu leisten.
Prof. Dr. A.Düggeli, Prorektor Forschung und Entwicklung, Pädagogische Hochschule Graubünden