Interview mit David Halser
Ohne Lehrpersonen wird der digitale Wandel an den Schulen nicht gelingen. Warum tun sie sich so schwer damit?

Allen Beteiligten an Schulen ist klar, wie wichtig die Digitalisierung ist. Aber wie und mit welchen Zielen digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden, das können sich viele Lehrpersonen noch nicht ganz vorstellen. „Oft stecken Berührungsängste und Hemmungen dahinter“, sagt David Halser, Lehrgangsleiter und Medienexperte an der PH Graubünden.

David Halser: Die digitale Transformation an den Schulen beschleunigt sich rasant. Wie gut sind die Schulen für den Umbau gerüstet?


Die Schulleitungen haben unterschiedliche Einstellungen und Strategien, um die digitale Transformation ihrer Schule zu gestalten. Die meisten Volksschulen in Graubünden können bereits auf eine gute technische Infrastruktur zurückgreifen und haben pädagogische ICT-Fachleute, welche die Lehrpersonen beraten und auf neue Entwicklungen hinweisen. Doch mit Laptops und funktionierendem WLAN ist es noch lange nicht getan. Erst wenn sich die Lehrpersonen trauen, ihre Lernsettings neu auszurichten, kann die Kultur der Digitalität positiv auf die Lernenden wirken.

 

Ohne die Lehrpersonen wird der digitale Wandel also nicht gelingen. Auf sie kommt viel zu – nicht nur Aufgaben, sondern auch Fragen. Wie gehen Lehrpersonen mit dieser Verantwortung um?


Allen Beteiligten in und an Schulen ist klar, wie wichtig die Digitalisierung ist. Aber wie und mit welchen Zielen digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden können, ist oft unklar. Oft ist es schlicht auch eine Frage der eigenen Kompetenzen. Viele Lehrpersonen fühlen sich im Umgang mit digitalen Geräten und der schier endlosen Palette an Programmen, Apps und Tools nicht sicher genug, um diese souverän in ihre Lernsettings einzubauen. Und so werden die Möglichkeiten der Digitalität zwar regelmässig für Präsentationen, den Austausch von Dateien oder für Internetrecherchen, aber noch zu wenig für kreative oder interaktive Lernaktivitäten genutzt. Das 4K-Modell des Lernens – Kollaboration, Kommunikation, Kreativität und kritisches Denken - könnte da einen wertvollen Referenzrahmen für neue Lernaufgaben bilden.

Warum tun sich Lehrpersonen nach wie vor schwer mit der Digitalisierung? Fehlt ihnen die Lust, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen oder sind es Ängste, die dahinterstecken?


Neben der Frage nach der eigenen Kompetenz, die von vielen «Digital Immigrants» als nicht ausreichend bezeichnet wird, spielen da wahrscheinlich noch zwei weitere Faktoren eine Rolle: Das eine ist schlicht und ergreifend der Faktor Zeit. Der Alltag einer Lehrperson ist in den vergangenen Jahren durch viele Zusatzaufgaben komplexer geworden. All das braucht Zeit und Engagement. Da bleibt nicht viel Raum, sich auch noch voll auf die Digitalität einzulassen. Und schliesslich ergriffen wahrscheinlich die meisten Lehrpersonen ihren Beruf aus Freude am Umgang mit Menschen. Der Einsatz von digitalen Techniken scheint dieser Intention zuwider zu laufen. Das führt zu Berührungsängsten und Hemmungen, die aber oft unbegründet sind.

 

Was brauchen Lehrpersonen, damit sie vor der Digitalisierung, den neuen Techniken und sozialen Medien nicht zurückschrecken?


Es braucht vor allem gute Weiterbildungsangebote, welche es den Lehrpersonen ermöglichen, ihre Kompetenzen auszubauen, Sicherheit zu gewinnen und gute Umsetzungsideen mitzunehmen. Durch gute Beispiele, positive Erfahrungen und den gegenseitigen Austausch schlägt Skepsis schnell in Neugierde um.

Die PH Graubünden lanciert diesen Sommer den CAS „Bildung im digitalen Wandel“. Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Angebot?


Mit dem neu konzipierten CAS wollen wir die digitalen Kompetenzen von Lehrpersonen erweitern und damit Schulen in ihrem digitalen Changeprozess aktiv unterstützen. Da jede Schule und jede Lehrperson in Bezug auf den digitalen Wandel andere Erfahrungen und Fragen mitbringen, haben wir diesen CAS als flexible Struktur mit vier unterschiedlichen Profilen und breiten Wahlmöglichkeiten konzipiert.

Wie unterscheiden sich die 4 Profile?

Das Profil "Pädagogischer ICT-Support" richtet sich an Lehrpersonen, welche in ihrer Schule die Verantwortung für den „digitalen Fuhrpark“ und die Weiterentwicklung der Digitalstrategie übernehmen, und rüstet sie mit den dafür nötigen Kompetenzen aus. Mit dem Profil «Making & MINT» werden kreative Macherinnen und Tüftler angesprochen, welche den kompetenten Umgang mit diversen Fertigungstechniken – von LEGO-Robotik bis zu 3D-Druckern - erlernen oder vertiefen wollen. Das Profil «Medien & Digitalität» fokussiert auf ein zeitgemässes Lernverständnis und wirft einen Blick auf die technischen und ethischen Zusammenhänge von Lernen, Gesellschaft und Digitalität. Es fördert Lehrpersonen im Erstellen von Podcasts, Filmen und anderen digitalen Formaten, thematisiert mediale und virtuelle Weltbilder und den Einsatz von Formen künstlicher Intelligenz für das Lernen. Das vierte Profil «Programmieren» führt die Teilnehmenden in Computational Thinking und das Problemlösen mit den Denkwerkzeugen der Programmierenden ein. Beliebige zwei der vier Profile können auch zu einem DAS kombiniert werden, entweder hintereinander oder für besonders Engagierte gerade gleichzeitig.



Sie sind u. a. für das Profil „Medien und Digitalität" verantwortlich. Soziale Medien sind ein wichtiger Bestandteil des Ausbildungsprogramms. Werden die Absolventinnen und Absolventen bald TikTok im Unterricht einsetzen?


Warum nicht? Soziale Medien sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Warum sollen sie also nicht auch Bestandteil des Unterrichts werden? Erwachsene verbinden Plattformen wie Instagram und TikTok oft mit Zeitverschwendung und unterschätzen dabei das Potenzial, das sie für die Motivation haben. Warum also nicht ein spannendes NMG-Projekt auf Social Media umsetzen, zum Beispiel die Umgestaltung eines Stücks Wiese zu einem bunten Schulgarten auf Social Media oder auf einer selbsterstellten Webseite dokumentieren? Schon bei der Recherche über ein zielführendes Vorgehen bei diesem Projekt sind Foren sicher hilfreicher als die klassische Schulbibliothek. Ganz nebenbei werden Kompetenzen aus Medien und Informatik, Deutsch und bildnerischem Gestalten gebraucht und in NMG integriert. Warum soll eine Schülerzeitung heute noch auf Papier daherkommen – wie wäre es mit einem Blog oder einem Podcast-Kanal?

 

Welche Bedeutung hat der Praxisbezug?


Dieser ist sehr wichtig. Wir nehmen den Teilnehmer:innen Berührungsängste und zeigen ihnen funktionierende Beispiele, wie sie die Digitalisierung ins Klassenzimmer bringen, um motivierende Lernsettings zu gestalten. Wir fördern damit nicht nur die Digitalkompetenz von Lehrpersonen, sondern auch die ihrer Schülerinnen und Schüler. Eine Win-Win-Situation für alle. Die Kinder und Jugendlichen wird’s freuen – garantiert!



 

Modularer CAS Bildung im digitalen Wandel.

Der Lehrgang besteht aus vier Profilen: MINT & Making, Medien & Digitalität, Programmieren und Pädagogischer ICT-Support.

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Professur Fachdidaktik Informatik.

Die Professur Fachdidaktik Informatik setzt sich für die Lehre und Forschung in der Informatik ein. Die Mitglieder der Gruppe sind für die Module Informatik-Grundlagen und Informatik interdisziplinär der Bachelor-Studiengänge verantwortlich und bieten zudem regelmässige Weiterbildungen an. In der Forschung und Entwicklung stehen Unterrichtsmaterialien für einen nachhaltigen Informatikunterricht und die Untersuchung von Fragestellungen rund um deren Wirksamkeit im Zentrum.

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